Harfenbau mit Peter Fötschl
...und über das Geheimnis der Haselfichte
Holz ist seine Welt
Stolz zeigt Peter Fötschl auf ein zirka sechs Zentimeter dickes Holzbrett. "Das ist Birnenholz und daraus machen wir gerade eine keltische Harfe. So soll das dann aussehen", erklärt er und hält eine maßstabgetreue Schablone davor. Sein 15-jähriger Sohn Christoph, der das Holztechnikum in Kuchl besucht, legt in den Ferien auch schon Hand an, und gemeinsam werkeln die beiden Holzliebhaber in ihrer kleinen Werkstatt in Gensgitsch bei Tamsweg an dem selbst entworfenen seltenen Instrument.
Peter Fötschl hat sich dieses Handwerk selbst erarbeitet. Es gibt keine Bücher und keine Ausbildung, die das Volksharfen-bauen beschreiben, und es will auch niemand gern sein Wissen an Fremde weitergeben.
Harfen Typen
Beeindruckend sind die einzelnen Teile aus Holz, die auf der Werkbank liegen und aus denen eine Harfe entstehen soll. Man kann sich zu diesem Zeitpunkt noch schwer vorstellen, wie diese Teile Stück für Stück zu einem großen, klangvollen Instrument zusammengefügt werden.
Der Harfenbauer erklärt, dass es drei Typen von Harfen gibt:
- Die keltische Harfe, auch Hakenharfe genannt. Sie ist die kleinste Harfenart, die Peter Fötschl baut.
- Die Tiroler Volksharfe oder Einfach-Pedalharfe – die mittelgroße, bei uns verbreitete Harfenart mit Pedalen.
- Die Konzertharfe, bekannt auch als Doppelpedalharfe. Diese ist die größte Harfenart und sehr aufwändig verarbeitet. (Konzertharfen baut Peter Fötschl allerdings nicht.)
Bei der Hakenharfe oder keltischen Harfe lässt sich jede Saite mittels eines Hakens, welcher direkt an der Saite unter dem Stimmwirbel angebracht ist und umgelegt wird, um einen halben Ton höherstellen. Diese Haken werden daher auch Halbtonklappen genannt.
Beheimatet ist diese Harfenart zwar eher in Frankreich, Norddeutschland, Großbritannien und Skandinavien, bei uns in Österreich ist sie aber sehr beliebt als Einstiegsinstrument für Kinder, da sie kleiner und leichter ist als die Volksharfe. Auch die Klappen-Mechanik ist nicht so kompliziert. Die keltischen Harfen aus Peter Fötschls Werkstatt haben 35 Saiten und ein Gewicht von 10 bis 11 Kilogramm.
Im Sommer nimmt sich der Harfenbauer auch Zeit, zwei bis drei keltische Harfen herzustellen. Seine Kinder helfen ihm dabei. Tochter Anna Sophia und Sohn Christoph können dabei ihren eigenen Ideen Form geben.
Vater Peter und Sohn Christoph mit den fertigen keltischen Harfen aus Ahorn und Birnenholz
Die Tiroler Volksharfe
Peter Fötschl baut vorwiegend die Tiroler Volksharfe, die auch Einfach-Pedalharfe genannt wird, denn sie ist die gängigste im Alpenraum. Wie der Instrumentenbauer erklärt, kann die Volksharfe nicht nur im Solospiel, sondern auch in der bei uns beliebten Tanzlmusik gut eingesetzt werden. Der Grund: Die in der alpenländischen Volkmusik erforderlichen Wechsel der Tonart kann der Harfenspieler durch das Betätigen der Pedale am Pedalkasten mit den Füßen relativ schnell und einfach bewerkstelligen – sogar während eines Stückes.
Das Gewicht der Volksharfe beträgt 16 bis 18 Kilogramm und sie hat vierzig Saiten, das sind fünf Oktaven Tonumfang. Da die Arbeit mit dieser Pedal-Mechanik sehr aufwändig ist, kann der Harfenbauer im Jahr maximal vier Stück dieser Art herstellen. Peter Fötschl verwendet für seine Harfen vorrangig Kirschholz, Ahorn und Fichtenholz.
Zum Aufbau seiner Volksharfen erklärt der Experte: Zuerst wird der Pedalkasten (das Fußteil) gefertigt, darauf kommt der Resonanzkasten, das ist der wichtigste Teil und entscheidend für den Klang des Instruments. Diese Teile werden dann mit dem Hals und der Vorderstange zusammengefügt.
Die Vorderstange oder Harfensäule bildet sozusagen das Rückgrat des Instrumentes und kann oben am „Kopf“ sowie auch unten kunstvoll verziert werden.
Den oberen Teil des Resonanzkörpers bildet die Resonanzdecke aus Klangholz, auf der sich die Bohrungen für die Saiten befinden. Diese Aufhängung muss aus Hartholz sein, da hier starke Zugkräfte herrschen: Die Spannung der 40 Saiten beträgt über 500 Kilogramm.
Zwei kunstvoll gefertigte Fötschl-Harfen: links die neue, noch nicht fertiggestellte Harfe (sie wird noch gestimmt und die Halbton-Mechanik eingebaut); rechts die bereits gut eingespielte Harfe von Tochter und Harfenspielerin Anna Sophia.
Im geschwungenen Hals der Harfe befinden sich in der obersten Reihe die Stimmwirbel, an denen die Saiten gespannt und gestimmt werden. Darunter sind die Steg- oder Sattelstifte angebracht, die durch ihre Stellung die Mensurlänge festlegen. Unter Mensur versteht man die freischwingende Länge der Saite, die den Ton erzeugt.
Noch eine Reihe darunter sind die Gabelscheiben für die Halbtonmechanik angebracht, die sich beim Drücken eines Pedals so weit verdrehen, dass sich der schwingende Teil der Saite verkürzt. Somit erklingt diese um einen Halbton höher.
Peter Fötschl nennt es eine "muats" (enorme) Mechanik mit sieben Zügen im Hals, die über Zugstangen im Resonanzkörper mit den Pedalen im Fußteil verbunden sind. Durch das Treten eines Pedals werden somit alle gleichnamigen Saiten auf einmal um einen halben Ton verstellt und der Harfenist kann umgehend in einer anderen Tonart (weiter)spielen.
Bei dieser in der Harfe versteckten Mechanik ist kein Glied gleich. Jedes hat eine unterschiedliche Länge oder Biegung, Zugglieder und Hebel werden einzeln miteinander vernietet und daher ist die Arbeit an der Tiroler Harfe so umfassend.
Noch komplizierter und aufwendiger im Bau ist die Konzertharfe mit 47 Saiten und einem Gewicht von 35 Kilogramm. Sie hat Doppelpedale, womit jede Saite sogar zweimal um einen Halbton verstellt werden kann. Diese Harfe kommt daher hauptsächlich nur im Orchester oder bei herausragenden Harfenisten zum Einsatz. Weltweit soll es angeblich nur sechs Firmen geben, die Konzertharfen erzeugen.
Peter Fötschl
... und das alte Handwerk "Harfenbau"
Genauigkeit, Geduld und Liebe zum Detail zeichnen Peter Fötschls Arbeit aus. Einen Großteil der über 1.300 Einzelteile fertigt der begeisterte Handwerkskünstler sogar selbst. Ein Harfenbauer benötigt zweifelsohne ein breitgefächertes Wissen und Können: Er sollte im Idealfall Tischler und Schnitzer, Drechsler und Dreher, Schlosser und Mechatroniker sowie Musiker sein, um den Umfang der Tätigkeiten beim Bau dieses Instruments bewältigen zu können!
Bemerkenswert dabei: Peter Fötschl hat sich dieses Handwerk selbst erarbeitet. Es gibt keine Bücher und keine Ausbildung, die das Volksharfen-bauen beschreiben, und es will auch niemand gern sein Wissen an Fremde weitergeben. Natürlich gibt es die bekannten Harfenbauer, die über langjährige Erfahrung im Instrumentenbau verfügen und bei denen das Wissen von Generation zu Generation weitergegeben und -vermittelt wird, meint Peter Fötschl, aber als ‚Externer‘ bekäme man hier kaum Einblick.
Es gibt wohl Kurse oder Ausbildungen für den Bau der Keltischen Harfe, nicht aber für die bei uns gängige Volksharfe.
So hat Peter Fötschl einfach beschlossen, sich selbst mit der Fertigung des Instrumentes zu beschäftigen. Die ersten zwei Jahre war er nur am Bauen und Tüfteln.
Und die erste Volksharfe? "Die hab‘ ich wieder zerlegt!" Der Harfenbauer lernt durch die Erfahrung und optimiert die Details Schritt für Schritt.
Was aber hat der Autodidakt gemacht, bevor er seine Leidenschaft zum Harfenbau entdeckt hat?
Angefangen hat Peter Fötschl sein Arbeitsleben im Jahr 1978 mit einer Tischler-Lehre, die er bei der Firma Huttegger in Tamsweg absolvierte. Nach der Gesellenprüfung und dem Bundesheer wollte er sich neu orientieren und so zog der gebürtige Tamsweger im Jahr 1983 nach München.
Mit zwei Partnern betrieb er eine Firma für Büromaschinenverkauf und Reparaturen von Schreibmaschinen und Kopierern. Nach und nach kamen dann auch Computer dazu, es wurden Netzwerkinstallationen gemacht und Novell Server eingerichtet. Der anfangs kleine Betrieb entwickelte sich zu einer namhaften Computerfirma mit über zwanzig Mitarbeitern. Peter Fötschl arbeitete über dreißig Jahre lang erfolgreich in dem Unternehmen und ist zeitweise zwischen München und Tamsweg hin und her gependelt.
Dass der Alltag sich wieder ändern könnte, hat er wohl damals schon geahnt. "Wirst sehen, irgendwann mache ich wieder was mit Holz!" sagte Peter Fötschl einmal zu seiner Frau. Dieser Ankündigung folgte im Jahr 2012 der Wunsch von Tochter Anna Sophia, das Zither spielen zu lernen. Jedoch gab es keine Zither-Lehrer in der Lungauer Musikschule. Ein befreundeter Musikant schlug vor, die Harfe auszuprobieren, und nach einer Schnupperphase wollte Anna Sophia nun unbedingt dieses besondere Instrument erlernen.
Die nächste Schwierigkeit ergab sich, als dann eine Harfe angeschafft werden sollte. Die Harfenbauer, bei denen Peter Fötschl anfragte, gaben Lieferzeiten zwischen ein und drei Jahren an. Beim Suchen und Stöbern im Internet stieß er auf einen Kurs für keltische Harfen bei einem Harfenbauer in Hessen. Das gab den Anstoß, sich die Herausforderung selbst zu stellen. Warum nicht so etwas versuchen? Als gelernter Tischler hatte er ja immerhin Erfahrung mit dem Holz-Handwerk.
Im Oktober 2012 absolvierte Peter Fötschl den Kurs und nach drei Wochen kam er mit einer selbst gebauten keltischen Harfe für seine Tochter heim.
Daraufhin keimte in ihm der Wunsch auf, sich fix zu Hause niederzulassen und selbst Harfen zu bauen. Er verkaufte die Computer-Firma und machte das Instrumentenbauen zu seinem Hauptberuf. "Ich wollte immer schon mit meinen Händen arbeiten“, sagt der 55-Jährige – und Holz ist sowieso seit jeher sein Element.
Einfühlsam geht Peter Fötschl auf die Wünsche seiner Kunden ein und versucht das Möglichste machbar zu machen. Seine Ideen und Erfahrungen lässt er gern miteinfließen und so entstehen immer wieder besondere Einzelstücke, die nicht nur optisch ganz unverwechselbar sind, sondern auch im Klang.
Klangholz Haselfichte
Und ja, das ist das Wichtigste bei diesem Instrument: der Klang!
Tochter Anna Sophia testet stets die neuesten Harfen und lässt dabei die Saiten melodisch erklingen. Auf die Frage, was denn nun den Klang ausmacht, bemerkt der Harfenbauer ganz überzeugt: "Das richtige Holz ist das Geheimnis!“ Er zeigt ein Stück Holz der Haselfichte. Im Vergleich zur normalen Fichte glänzen die sogenannten „Haseln“ wie Adern im Holzbrett. Der Harfenbauer klopft darauf und man kann es hören: Das einfache Stück Holz allein hat schon einen ganz speziellen Klang. Nicht dumpf wie ein Holzstock, nein, da gibt es eine besondere Schwingung, die man hören und auch spüren kann.
Die Haselfichte klingt voller und gewaltiger und ist daher ein wichtiger Bestandteil des „klangvollen“ Instrumentes.
Tochter Anna Sophia beim Harfenspiel
Viele Haselfichten wachsen bei uns im Lungau im „Geigenwald“ bei Ramingstein, in einem Waldstück zwischen den Ortsteilen Madling und Winkl. Der Name kommt nicht von ungefähr. Das Holz aus diesem Wald wurde schon vor zwei- bis dreihundert Jahren von erfahrenen Instrumentenbauern aus Südtirol und dem Rheinland speziell für den Geigenbau verwendet. So erlangte es als besonderes Klangholz Bekanntheit. Auch der ehemalige Lungauer Musiklehrer und Instrumentenbauer Hans Neubacher kannte bereits die Vorzüge dieser besonderen Fichtenart. Er fertigte unzählige Instrumente aus dem wundersamen Klangholz.
Anpflanzen kann man die Haselfichte allerdings nicht. Dieses Holz wächst – oder wächst nicht. Auch von außen kann man sie nicht gleich erkennen. Man muss sie "schälen" und unter der Rinde sieht man dann erst als Merkmal die Rillen, die wie Kratzer einer Bärentatze anmuten. Ein weiteres Merkmal der Haselfichte sind die Jahresringe, die fächerartig bzw. gezähnt angeordnet sind. Diese Art zu wachsen, verleiht dem Holz eine besondere Festigkeit und es lässt sich dünner verarbeiten. Überdies zeigt dieses besondere Holz eine wunderschöne Maserung. Und mit seinem einzigartigen Klang überzeugt es sowieso.
Hier kann man die "Haseln" wie schimmernde Adern erkennen.
Bei der geschälten (entrindeten) Haselfichte erkennt man Rillen, die wie Kratzer aussehen.
Wenn man die Jahresringe betrachtet, sind diese fächerartig, gezähnt angeordnet.
So ist jede Fötschl-Harfe ein Unikat, ein besonderes Kunstwerk aus mehr als 1.300 Einzelteilen. Der Harfenbauer gestaltet die Instrumente nach individuellen Wünschen, wählt sorgfältig Holz und Materialien aus und baut mit Leidenschaft an den wunderbaren Harfen.
Stolz blickt Peter Fötschl seine Tochter Anna Sophia an, wenn sie ihre Harfe mit einem melodischen Stück erklingen lässt. Wahrhaftig stolz kann er sein auf seine einzigartigen Instrumente, hergestellt aus dem geheimnisvollen Klangholz aus dem Ramingsteiner Geigenwald!
Artikel: Hemma Santner-Moser
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.
Mit der Veränderung von Wirtschaft, Arbeitswelten und Technologien geht „altes Wissen“ bzw. Erfahrungswissen verloren. Die ältere Generation verfügt noch über dieses Wissen, das in Verbindung mit neuen Technologien und Designs aber durchaus Potential für künftige Entwicklungen bietet. Für den Biosphärenpark Lungau als Modellregion für nachhaltige Entwicklung ist die Erhaltung, Sicherung und Dokumentation von altem regionalem Wissen eine wichtige Aufgabe, um so die nachhaltige Entwicklung der Region voranzubringen.