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Handgefertigte Tracht – Altes Wissen

Handgemachte Tradition - Lungauer Trachten

Nachhaltig, individuell, facettenreich... und immer wieder zeitlos schön!

 

Wo Brauchtum gepflegt und Traditionen gelebt werden, dort kommt man unweigerlich mit Tracht in Berührung. Kein Fest, kein Umzug ohne die traditionelle Kleidung, kein Verein, den man nicht von weitem schon an seiner Garderobe erkennt.

Mit Stolz und Selbstbewußtsein trägt der Lungauer seine Tracht. Er liefert damit nicht nur seinen Beitrag zur Brauchtumspflege und zum Fortbestand alter Traditionen, sondern präsentiert damit auch seine Herkunft und Verbundenheit zur Heimat. Doch wer denkt, Tracht sei lediglich ein Kostüm für feierliche Anlässe, der irrt. Längst hat  Tracht ihren Platz im täglichen Leben eingenommen, und fast jeder Lungauer besitzt zumindest ein Trachten-Teil, das er regelmäßig anzieht: das fesche Dirndl oder Festtagsgewand beim Jubiläumsfest, die Lederhose bei der Almpartie, den Trachtenjanker kombiniert mit der Lieblingsjeans...
Tracht und was man darunter versteht

Der Begriff „Tracht“ leitet sich vom althochdeutschen „traht(a)“ bzw. vom mittelniederdeutschen „dracht“ ab und bezeichnet "das, was getragen wird". Unter Tracht versteht man somit die traditionelle Bekleidung einer bestimmten Region oder eines Landes, von einzelnen Berufs- bzw. Bevölkerungsgruppen.

Die Tracht folgte stets einer überlieferten Kleiderordnung und vermittelte dem kundigen Betrachter eine Vielzahl von Informationen. So zeigte sie deutlich an, aus welcher Region die Tracht bzw. der Träger oder die Trägerin stammt. Im Salzburger Land ist zum Beispiel die Lederhose mit Sattel- oder Tellernaht und roh-weißer Stickerei üblich, grüne Stickereien findet man im Ausseerland.

Die speziellen Merkmale aus der Natur oder dem Umfeld der Menschen sind dabei auch immer stark miteingeflossen: die schönen Naturfarben etwa oder der mäanderförmige Verlauf der umliegenden Bäche in Form von handgestickten Wellenlinien. Oder ein hoher Rockansatz wurde ausgewählt zwecks Paßform bei einer Schwangerschaft und ähnliches. Ersichtlich waren der Anlass (Alltag – Festtag) sowie auch die Trauerstufe und es konnten auch soziale Stellung und wirtschaftliche Verhältnisse ausgemacht werden. So zeugten teure Stoffe, viele Falten, mehrere Ziernähte oder aufwändige Stickereien und Muster stets von Wohlstand. Der jeweilige Personenstand zeigte sich vor allem in Details wie Schürze (rechts gebunden bedeutete verheiratet, links gebunden ledig, hinten gebunden Witwe), in der Kopfbedeckung (verheiratete Frauen durften Hüte tragen, Ledige nicht), Strumpfbänder, Brusttuch, Mieder oder Ärmel. Sogar die Stutzen mit ihren Strickmustern ("Glöckerl", "Wegerl", "Steigerl", "Fensterl", "Kleeblatt", "Ähre", "brennende Liab", "vergessene Liebe",...) waren aussagekräftig.

Diese Regeln äußern sich in überlieferten Schnittformen, Stoffmustern und deren Farben, nach denen die verschieden Trachten entstehen.

Katharina Schröcker - ehemalige Bezirkstrachtenreferentin

Sie selbst trägt im Alltag gern ein Dirndl, hier im speziellen ein "Lungauer Jahrgwandl" mit Pfoadl-Bluse. Ein "Pfoadl" oder "Hemat" war das knielange Leinenhemd, das die Frau ab der Bronzezeit trug, erklärt Katharina Schröcker: "Tag und Nacht, zur Arbeit, zum Schlafen, zum Kinderkriegen und zum Sterben."

Später kamen "Kittel" (Rock), "Leibl" und "Vichtach" (Fürtuch bzw. Schürze) dazu. Daraus hat sich im 19. Jahrhundert schließlich das Dirndlgwand entwickelt. Das "Hemat" oder "Pfoadl" verkürzte sich zur Dirndl-Bluse. Durch das Zusammennähen von Oberteil, dem "Leib(l)", und Unterteil ("Kittel") entstand das Dirndl wie wir es heute kennen und deshalb nennt man es auch "Leiblkittel".

Zum "Lungauer Jahrgwandl" erörtert sie noch: "Wenn eine Dienstmagd das vergangene Jahr sehr fleißig war, hat sie zu Lichtmess - am Zahltag der Bauern - meist ein Jahrgwandl dazu bekommen." Dieses war ursprünglich aus kariertem Bettzeugstoff gefertigt, daher sind die Jahrgwandler auch heute noch mit karierten Mustern üblich. Das "Lungauer Jahrgwandl" zählt zu den Salzburger Alltags- oder Werktags-Trachten.

Schwarze Lungauer Festtracht

Eine ganz besondere Tracht ist in Katharinas Augen die "Schwarze Festtracht", die auch "Lungauer Außengewand" oder "Bäuerliches Spencergewand" genannt wird. Kennzeichnend für diese Festtracht ist der reich verzierte Garnierspencer, der meist aus feinem Wollstoff und mit reichhaltiger Auszier wie Rüschen oder Fältchen gearbeitet ist. Die Tracht entstand ungefähr in den Jahren zwischen 1870 und 1880 und durfte  ausschließlich von Bäuerinnen getragen werden. Meist trugen die Jungbäuerinnen die Festtracht erstmals zur Heirat.

"Von Hut bis Fuß alles handgemacht", betont die Trachtenspezialistin und erklärt ein paar Merkmale: Gefertigt werden Spencer und Rock meist aus feinem Wollstoff, seltener aus Seide, in der Farbe schwarz. Die Verzierungen, auch "Aufputz" oder "Auszier" genannt, sind aus Seide. Schürze und Miedertuch sind farbig in Reinseide oder Halbseide. Früher waren diese Stoffe meist pastell-, gold- oder silberfarben, manchmal sogar mit (großen) Blumenmustern. Heute verwendet man immer öfter farbenfrohe Stoffe und auffällige Muster, je nach Vorliebe der Trägerin.

Der Garnierspencer ist an den Ärmeln und am Halsausschnitt sehr kunstvoll und aufwändig verarbeitet, was die Besonderheit dieser Tracht ausmacht.

Traditonell wird der Ausschnitt mit einer dichten Fältchenreihe (Plissee) abgeschlossen. Der Aufputz oder die Garnierung kann Rüschen und/ oder Blumen und Knospen darstellen. Für den Lungau charakteristische Auszierungen waren früher verschiedene Rüschen, allerdings eher schlicht gehalten. Blumenformen stammen ursprünglich aus anderen Regionen. Manchmal kam es jedoch vor, dass eine Trachtenträgerin ein geerbtes Stück mit in den Lungau gebracht hat und so gelangten verschieden ausgearbeitete Trachten hierher. Daraus ergibt sich nun diese Vielfalt an Garnierungen, aus denen man heute wählen kann.

Um richtig gekleidet zu sein, sollte die Frau zur Tracht Strümpfe oder Stutzen tragen und einen glatten, trachtigen Schuh mit maximal vier Zentimeter Absatz. (High Heels sind ein absolutes "no go"!!!) Hut und Kropfkette sowie ein Beutel runden den traditionellen "Look" ab. Der Hut ist sogar ein absolutes "Muss" zu dieser Frauentracht. Frau kann den "Lungauer Hut" (mit leicht aufgebogener Krempe) tragen oder den traditionellen Stockhut (auch Bürstel- oder Bänderhut genannt). Man vermutet, dass der Stockhut ursprünglich aus dem Pinzgau kam, dann auch im Lungau hergestellt wurde, das Original war aus Maulwurffell. Der "Lungauer Hut" wird exklusiv von der Hutmacherei Zapf in Werfen in Handarbeit hergestellt und ist aus Hasenhaar gefertigt. Erhältlich sind die Lungauer Hüte über das "Kaufhaus und Trachtenschneiderei G. Rainer" in Mariapfarr. Die gelernte Trachtenschneiderin und aktive Bezirks-Trachtenreferentin Agnes Luginger steht dabei auch gerne mit Rat und Tat zur Seite. Tipps zur richtigen Pflege und Aufbewahrung der Hüte und Trachten sowie Nähkurse oder Trachtenbörsen kann sie jedem Interessierten gerne vermitteln.

Eine echte Tracht ist durch ihre aufwändige Fertigung recht kostspielig, dafür hält sie aber ein Leben lang. Davon zeugen viele Trachtenfrauen, die diese Lungauer Festtracht mit Stolz tragen.

 

Der Lungauer Hut (mit leicht aufgebogener Krempe) und eine extra zur Tracht gefertigte Kropfkette


Lungauer Tracht im Wandel der Zeit

 

Doch auch die Tracht durchlebt einen Wandel, der durch Mode und Zeitgeist beeinflußt wird. Es wird deutlich, dass Tracht nicht etwa starr und unveränderbar ist, nein, sie ist etwas Lebendiges, das neu adaptiert und angepasst werden kann. Man muss hier aber unbedingt unterscheiden: Trachten-Mode, wie sie in manchen Läden angeboten wird, lehnt sich zwar bei der Materialauswahl, den Stoffmustern und Accessoires an die Tracht an, ist aber selbst nicht Tracht, sondern nur ein Modetrend.

Die Dirndlkleider aus Kunstfaser-Stoffen und mit Glitzerapplikationen haben auch nicht viel mit einem echten Dirndl-Gwand zu tun. Aber wenn so der Gedanke fürs Dirndl geweckt wird und die heutige Jugend durch diese Mode den Weg zum "Echten" findet, ist das zumindest kein schlechter Anfang.

In den letzten 10 bis 20 Jahren ist vom Land Salzburg ein kräftiger Impuls zur Trachtenerneuerung ausgegangen. Diese wurde speziell durch die Gauverbände der Salzburger Volkskultur aktiv umgesetzt und hat ein neues Selbstbewusstsein für Tracht bei Jung und Alt entfacht. Tracht ist irgendwie "in" geworden!

Katharina Schröcker hat zu dieser Zeit als Referentin für Tracht im Lungauer Gauverband diesen Prozess hautnah miterlebt und den Impuls mitgetragen. Im Zuge dessen hat sie 2011 ein kleines Büchlein herausgebracht, das die Lungauer Trachtenwelt eindrucksvoll veranschaulicht und beschreibt. ("Die Lungauer Trachten", herausgegeben von der Lungauer Volkskultur.) Die Erneuerung erkennt man vor allem daran, dass Schnittformen und Farben variabler und vielfältiger geworden sind, gut ersichtlich zum Beispiel bei der Lungauer Schnürmieder Festtracht, und dass manche Regeln in der Kleiderordnung lockerer gehandhabt werden.

Nicht nur das, manch neue "Gwanda" sind in dieser Zeit frisch entworfen worden, die seither auch in der Salzburger Trachtenmappe aufscheinen. Viele Orte (im Land Salzburg) wollten ihr ganz eigenes Dirndl oder Trachten-Gewand haben.


 

Biosphären Dirndl

Kathi Schröcker hat damals das Biosphären-Dirndl entwickelt.

Dabei hat sie versucht, gemeinsame Elemente aus den Trachten der Lungauer und Kärntner Biospärenpark-Regionen sowie auch alte Handwerkstechniken und natürliche Materialien in die neue Tracht zu integrieren. Wichtig war ihr auch, den Biosphärengedanken, der durch Natürlichkeit, Nachhaltigkeit, Ursprünglichkeit und Vielfalt geprägt ist, im neuen Gewand zum Ausdruck zu bringen und hat dabei sicher eine gute Mischung für das neue Dirndlgwand gefunden.

Das Oberteil beim Biosphären-Dirndl ist ein ungemusterter, farbiger Stoff aus Wolle oder Leinen mit kontrastfärbig eingefaßtem Halsauschnitt, passepoilierten Armausschnitten und Teilungsnähten im Rücken.

Markantes Zeichen dieser Dirndl-Variante ist die aufgesetzte, leicht nach oben gerundete Patte mit individueller Reliefstepperei und Zier-Knöpfen aus natürlichen Materialien. Anregungen für die Form der Patte holte sich die Trachtenschneiderin von der Lungauer Wintertracht (aus der Trachtenmappe aus dem Jahr 1943). Den Rock (Kittel) fertigt die Schneiderin gleichfarbig (wie den Leib) in Web- oder Druckdesign sowie eine Schürze mit Web- oder Druckdesign bzw. uni (einfarbig). Dabei sind alle Farben möglich. Besonders schön und individuell ist auch eine handgedruckte Schürze dazu.

Das Biosphären-Dirndl wurde von Katharina Schröcker entworfen und erstmals am 24. August 2013 bei der Landeseröffnung des 18. Bauernherbstes in Tamsweg, gemeinsam mit der Biosphären-Joppe und -Weste vorgestellt.

Angelehnt an den Lungauer Festtags-Anzug aus der Trachtenmappe von 1943 wurde die neue Biosphären-Joppe als Doppelreiher mit vier Knöpfen (aus Hirschhorn oder Metall) in feinem Loden oder Leinen in den Farben grau oder braun, mit grünem Kontrastloden entworfen. Die Joppe hat schräge Paspeltaschen, aber keine Brusttasche. In der Rückenmitte wird ein gerader Schlitz gefertigt. An Schlitz, Länge und vorderer Mitte wird eine schmale Blende/ Einfassung (zirka 1,3 Zentimeter) aus Tuchloden in grün gearbeitet. Kragen und Ärmelblende (zirka 6 Zentimeter) sowie passepoilierte Knopflöcher sind auch in grünem Tuchloden.

Die ursprüngliche Joppe bestand aus festem, schwerem Loden. Die neue Version ist modischer sowie der heutigen Zeit angepasst gestaltet und kann somit auch gut mit den drei  verschiedenen Lederhosen-Längen (kurz, lang und Kniebund) kombiniert werden. Die Weste wird passend dazu aus feinem Tuchloden oder Wollbrokat in den Farben grün, rot oder blau genäht. Sehr gut passen Leibchen, die aus Handwebe, Blaudruck oder aus handbedrucktem Leinen gefertigt werden, wobei sich der Mann hier auch dem (Biosphären-)Dirndl der Partnerin individuell anpassen kann. Zum Schnitt gehören Abnäher im Vorder- und Rückenteil, sowie ein kurzer offener Schlitz in der Rückenmitte. Der Stehkragen wird zur vorderen Mitte hin tiefer gezogen, sodass eine Kravatte dazu kombiniert werden kann.

Markantes Zeichen (in Anlehnung an die alte Tracht) sind die markiert verlängerten Knopflöcher auf beiden Vorderteilen in zirka vier Zentimeter Abstand. Als Knöpfe passen Silber- oder Metallknöpfe.

 

Artikel: Hemma Santner-Moser

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