Wenn´s um die Wurst geht...
Fleischverarbeitung einst und jetzt
Immer mehr Menschen bevorzugen fleischlose oder fleischreduzierte Kost, manch Gesundheitsbewusste ernähren sich deshalb vegetarisch oder gar vegan. Eigentlich aber ist Fleisch ein sehr hochwertiges Lebensmittel.
Fleisch, das sich viele Lungauer im Krieg oder in der Nachkriegszeit erst gar nicht leisten konnten, wird heutzutage sogar bewusst vom Ernährungsplan gestrichen – oder zumindest reduziert, sei es aus gesundheitlichen Gründen, zum Tierschutz oder, wie es derzeit topaktuell ist, aus Gründen des Umwelt- und Klimaschutzes. Sowie auch deswegen, weil die heutige Mästung der Tiere mit massivem Medikamenteneinsatz und Methoden zur Haltbarmachung sehr kritisch behandelt werden.
Früher wurde (und so ist es vielfach auch heute noch) an den Bauernhöfen oder Keuschlereien für gewöhnlich einmal im Jahr geschlachtet. Meist vor Weihnachten. Denn in der Weihnachtszeit und vor allem an Heiligabend wurden traditionell Bratwürste gegessen, das war auch eine Besonderheit. In vielen Häusern wird diese Tradition heute noch gelebt, wenngleich sie mehr und mehr durch verschiedenste Varianten von Weihnachts-Festessen abgelöst wird. Was beim Schlachten nicht gleich verbraucht oder verwertet werden konnte, wurde durch Selchen oder Pökeln haltbar gemacht. Noch vor der Zeit von Gefriertruhen und -schränken, in denen Fleisch unverarbeitet aufbewahrt werden kann, wurde Fleisch im Lauf des Jahres eher aus haltbargemachten Varianten zu sich genommen. Dies waren zum Beispiel Selchfleisch(-Knödel), Surfleisch, Speck oder Rohwürste.
Jeder Bauer beherrschte gewisse Handgriffe, um sich ein paar nahrhafte Stücke Fleisch zu konservieren. Das Wursten war ebenso eine gute Möglichkeit, das Fleisch länger haltbar zu machen und möglichst viel von einem geschlachteten Tier zu verwerten. Spezialisten dafür waren natürlich die heimischen Metzgerei-Betriebe.
Bei der Haltbarkeit von Fleisch hielt man sich an eine alte Bauernweisheit:
„Zu Lazari schlachtet der Bauer das Schwein, es sollt` bis Lichtmess gegessen sein."
(Lazarustag ist am 17. Dezember).
Viehhandel am Tamsweger Marktplatz anno dazumal. Vor dem Rathaus war auch eine Waage. (Bild: Metzgerei Schader)
Manfred Rainer, ehemaliger Metzger
Der ehemalige Metzger Manfred Rainer könnte sich ein Leben ohne Fleisch nicht vorstellen. Im Jahr 1959 hat er seine Lehre bei der Tamsweger Metzgerei Eßl begonnen. Zu seiner Lehrzeit waren sechs Metzger im Betrieb beschäftigt und es ging schon damals ums Eingemachte: Schnitzelfleisch, Bratl und Kochfleisch wurden für die Gaststätten vorbereitet, außerdem Braunschweiger, Leberkäse, Speckwürste, Extrawurst und selbstverständlich Frankfurter-Würstel waren heiß begehrt bei der wachsenden Anzahl an Abnehmern. Die Würstelsuppe war früher etwas ganz Besonderes und wurde an Festtagen, Prangtagen oder bei Begräbnissen aufgetischt. Frankfurter-Würstel wurden dazu immer erst kurzfristig hergestellt. Denn wenn es an einem Prangtag regnete, wurden weniger Würste verbraucht, so berichtet Manfred Rainer.
Zirka fünfmal pro Woche wurden Rinder geschlagen und zerwirkt, außerdem zirka zwanzig Schweine, im Herbst auch Schafe. Produziert wurde nach einem genauen Wochen-Plan, der festlegte, an welchem Tag welches Produkt hergestellt wurde. Heute gibt es jederzeit alles, was sich der Kunde wünscht, auch in großen Mengen. Rezepte gab es damals zwar schon, trotzdem wurde alles nach Gefühl, also „über Habs", gemacht. Heute müssen alle Zutaten, Salz und Gewürze genau abgewogen und auch angeführt werden.
Im Laufe der Zeit haben die einzelnen Fleischer immer mehr Wurstsorten, sowie eigene Rezepte und Kreationen entwickelt. Jausenwürste, Hauswürstl, Bratwürste, Speckvarianten und Aufschnittwurst unterscheiden sich von Fleischer zu Fleischer, die ihren Kunden ein Riesensortiment bieten. Es scheint gar: Je ausgefallener, desto besser. Für Mittags- und Jausenpausen bleiben dennoch die traditionellen Fleisch- und Wurstwaren die „Renner“: Frankfurter Würstel, fertige Stelzen, Schweinsbraten, Schweinsbauch, faschierte Laibchen und vor allem Leberkäse.
Dauerwürste & Brühwürste
Zur Herstellung der begehrten Dauerwürste oder Brühwürste (hierzu zählen Frankfurter, Krainer, Debreziner, Braunschweiger, Weißwürste, Extrawurst, Leberkäse, uvm....) werden mageres Fleisch (von Rind und/oder Schwein) und Speck (Fettgewebe des Schweins) im Fleischwolf zerkleinert und anschließend in einem Kutter mit Salz, Gewürzen und weiteren Zutaten zu einer feinen Wurstmasse (Brät) vermischt. (Der Kutter ist eine Maschine zum starken Zerkleinern und Mischen von Lebensmitteln, insbesondere Fleisch.)
Nach dem Kuttern folgt das Abfüllen, meist in Därme oder Wursthäute. Bei manchen Sorten folgt das Heißräuchern (z. B. Frankfurter-Würstel) und schließlich das Brühen. Die Würste werden dabei auf eine Kerntemperatur von zirka 70 Grad Celsius erhitzt, wobei das Muskeleiweiß gerinnt und die fertige Wurst entsteht. Diese hat dann eine typische glatte Schnittfläche.
Wenn Fettteile hinzugegeben werden und die Wurst aus bakteriologischen Gründen auf eine Kerntemperatur zwischen 68 und 72 bis 73 Grad erhitzt werden muss (im Gegensatz zur Rohwurst, die geräuchert und luftgetrocknet wird), würde Speck ausrinnen und das Fleisch wäre trocken. Genau deshalb wird ein Brät (Wurstmasse) gemacht. Das heißt, das Muskeleiweiß wird so fein aufgeschlagen, dass eine feine, bindige Masse entsteht, die auch die Fettteilchen umhüllt. Wenn diese Masse dann erhitzt wird, gerinnt das Eiweiß sofort und das Fett kann nicht mehr austreten. Dabei muss die Wurstmasse gut gekühlt werden, um nicht vorzeitig zu gerinnen. Das wird durch Zugabe von Eis oder Eiswasser erreicht. Die Konsistenz einer Brühwurst ist abhängig vom Wasserbindungsvermögen des Fleisches. Dieses ist unmittelbar nach der Schlachtung besonders hoch, sodass Brühwürste traditionell aus noch schlachtwarmem Fleisch hergestellt wurden.
Früher wurde immer ein „Warmbrat" gemacht, also gleich nachdem das Tier geschlachtet wurde und bevor die Totenstarre eintrat. Das sind in der Regel zwischen fünf und sieben Stunden beim Rind und maximal zwei Stunden beim Schwein. Ab diesem Zeitpunkt verschließt sich die Fleischzelle, es kann kein Wasser mehr eindringen und das Eiweiß kann somit nicht mehr aufschlagen werden. Zumindest nicht ohne künstliche Zusatzstoffe.
Heute verwendet man zur Herstellung überwiegend ausgekühltes oder gereiftes Fleisch, das weniger Wasser binden kann, was die Zugabe von Hilfsmitteln wie Phosphate, Citrate oder Emulgatoren erforderlich macht.
Bei dieser Kaltfleisch-Methode, wie sie zumeist praktiziert wird, kann das Fleisch durch die Zugabe der „Kutterhilfsmittel" jederzeit zu feinem Brät aufgeschlagen und schließlich zu Brühwürsten weiterverarbeitet werden.
Der ehemalige Metzger Manfred Rainer gibt einen Einblick in die heutige Wurstverarbeitung.
Warmfleisch
Früher wurde immer ein „Warmbrat" gemacht, also gleich nachdem das Tier geschlachtet wurde und bevor die Totenstarre eintrat. Das sind in der Regel zwischen fünf und sieben Stunden beim Rind und maximal zwei Stunden beim Schwein. Ab diesem Zeitpunkt verschließt sich die Fleischzelle, es kann kein Wasser mehr eindringen und das Eiweiß kann somit nicht mehr aufschlagen werden. Zumindest nicht ohne künstliche Zusatzstoffe.
Heute verwendet man zur Herstellung überwiegend ausgekühltes oder gereiftes Fleisch, das weniger Wasser binden kann, was die Zugabe von Hilfsmitteln wie Phosphate, Citrate oder Emulgatoren erforderlich macht. Bei dieser Kaltfleisch-Methode, wie sie zumeist praktiziert wird, kann das Fleisch durch die Zugabe der „Kutterhilfsmittel" jederzeit zu feinem Brät aufgeschlagen und schließlich zu Brühwürsten weiterverarbeitet werden.
So verwundert es nicht, dass sich auch der Beruf des Fleischhauers in den vergangenen Jahren stark gewandelt hat. An Stelle des Schlachtens und Schlagens trat die Veredelung von Fleisch in den Vordergrund und neben dem Verkaufsgeschäft in der Metzgerei wurden vor allem auch Catering- und Party-Services ein wichtiges Standbein.
Bedingt durch diesen Wandel und damit der Konzentration auf wenige, dafür große Schlachtstätten, von denen die meisten Fleischerei-Betriebe Schweinehälften und Rinderviertel zur Weiterverarbeitung beziehen, ist die noch bis in die 1970er Jahre übliche Verarbeitung von schlachtwarmem Fleisch zur Herstellung von Brühwurst nun nicht mehr möglich. Für die traditionelle Warmfleisch-Methode wäre ja eine kurze Zeit zwischen Schlachtung und Verarbeitung notwendig, da das Fleisch innerhalb von wenigen Stunden entbeint, ausgesucht und weiterverarbeitet werden muss. Und das funktioniert nur, wenn der Schlachterei-Betrieb und der Verarbeitungsbetrieb nahe beieinander liegen.
Der Grund für diese Änderungen sind womöglich auch die mittlerweile strengen Hygiene-Bestimmungen bei der Schlachtung und strikten Vorschriften in punkto Fleischbeschau. Diese sind vor allem seit Auftreten der BSE-Fälle (ab dem Jahr 2000) verstärkt worden und die Tests konnten auch bis zu einer Woche dauern.
Einige Bauern gibt es bei uns noch, die aus den oben genannten Gründen oder der Gesundheit zuliebe wieder mit der traditionellen Warmfleisch-Methode arbeiten. Sie verzichten beim Wursten auf Zugabe der Kutterhilfsmittel Phosphat oder Citrat und verwenden keine Chemie wie Konservierungsstoffe, Stabilisatoren, Emulgatoren oder Geschmacksverstärker. Auch Pökelsalz, das die Wurst rötet, wird nur minimal eingesetzt. Heute weiß man, dass das im Pökelsalz enthaltene Nitrit im Körper mit Eiweißstoffen krebserregende Nitrosamine bilden kann.
Hergestellt werden dann besser Naturwürste (ohne Pökelsalz), die beim Kochen zwar grau werden, was aber weder ein Produktionsfehler ist noch sich im Geschmack niederschlägt. Sogar ganz im Gegenteil: Die Naturwürste schmecken sehr gut und benötigen durch die Warmfleischmethode auch weniger Fett bei der Herstellung. Die gräuliche Wurst sieht vielleicht ungewohnt aus, ist aber frei von Nitrosaminen. Außerdem gibt es eine Reihe von Fleischerzeugnissen, wie Leberwurst oder Bratwürste, die traditionell ohne Pökelsalz hergestellt werden.
Der große Vorteil der Warmfleisch-Methode ist vor allem, dass das Fleisch so natürlich wie möglich, frei von Aromen und künstlichen Zusatzstoffen, vor allem frei von Phosphaten, verarbeitet werden kann. Das garantiert sowohl hohe gesundheitliche als auch geschmackliche Qualität der Wurstwaren.Das wichtigste dabei ist nur, das Warmfleisch gleich nach dem Schlachten, (maximal zwei Stunden beim Schweinefleisch und maximal fünf bis sechs Stunden beim Rindfleisch), zu verarbeiten.
Um den Warmfleisch-Vorteil nutzen zu können, gibt es dann sogar mehrere Möglichkeiten der Aufbereitung, je nachdem wie viel Zeit für die Weiterverarbeitung zur Verfügung steht: So kann das Warmfleisch gleich nach dem Schlachten ins fertige Produkt umgewandelt werden.
Warmfleischmethode - So wird’s gemacht:
Zuerst muss das Warmfleisch in der angeführten Zeit ausgelöst, gesalzen und zu Warmbrät weiterverarbeitet werden. Tiefe Temperaturen sind wichtig, damit der Effekt anhält. Also wird der Kutter vorgekühlt und das Brät mit dem Warmfleisch, dem Fett, den Gewürzen und dem Eis(wasser) zusammengemischt. Gleich danach in Naturdärme füllen und vorbrühen (bei 68 bis 72 Grad Celsius Kerntemperatur) – und fertig ist die Dauerwurst.
Um den Warmfleisch-Vorteil ein paar Tage nutzen zu können, kann man das Warmfleisch auslösen und in Würfel schneiden, salzen, durch den Fleischwolf drehen und flach aufgelegt auf null Grad abkühlen. Danach kühl stellen und bei Gelegenheit weiterverarbeiten. (Die Erstverarbeitung muss lediglich sofort passieren.)
Mit Schockgefrieren kann dieser Vorteil sogar ein paar Wochen erhalten werden: Warmfleisch dazu in Würfel schneiden, flach auflegen und bei tiefen Temperaturen schockgefrieren. Beim späteren Weiterverarbeiten müssen dann jedoch die gefrorenen Fleischwürfel verarbeitet werden, da durchs Auftauen der Warmfleisch-Vorteil verloren ginge.
Was noch beachtet werden muss: Gewisse Teile des Rindes können nach der Warmfleisch-Methode nicht so gut verarbeitet werden, sie müssten erst abkühlen, um zerlegt zu werden.
Eines steht auf alle Fälle fest: je natürlicher, umso gesünder! Schade nur, dass diese traditionelle Wurst-Herstellung irgendwie „aus der Mode" gekommen ist. Nicht nur wegen des Wohlgeschmacks sondern auch der Gesundheit wegen wäre die Warmfleischverarbeitung wieder mehr zu empfehlen!
Text: Hemma Santner-Moser
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.
Mit der Veränderung von Wirtschaft, Arbeitswelten und Technologien geht „altes Wissen“ bzw. Erfahrungswissen verloren. Die ältere Generation verfügt noch über dieses Wissen, das in Verbindung mit neuen Technologien und Designs aber durchaus Potential für künftige Entwicklungen bietet. Für den Biosphärenpark Lungau als Modellregion für nachhaltige Entwicklung ist die Erhaltung, Sicherung und Dokumentation von altem regionalem Wissen eine wichtige Aufgabe, um so die nachhaltige Entwicklung der Region voranzubringen.