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Bergbauer Gunther Naynar | Altes Wissen

Gegen den Strom

Bergbauer Gunther Naynar gibt Einblick in seinen vielfältig aufgestellten, kleinstrukturierten Familienbetrieb

Knapp die Hälfte der rund 800 landwirtschaftlichen Betriebe im Lungau wird laut Bezirksbauernkammer Tamsweg biologisch bewirtschaftet.

Einer dieser Biobetriebe ist der auf 1.250 Metern Seehöhe gelegene Hiasnhof von Gunther Naynar in Göriach. Der Bergbauer ist vor allem durch seine Käseproduktion sowie sein Engagement für den Wiederanbau des Lungauer Tauernroggens bekannt.

Von Spezialisierung und Monokultur können kleine Betriebe nicht leben. Wenn man als bäuerlicher Familienbetrieb bestehen möchte und kleinstrukturiert bleiben möchte, dann sind verschiedene Standbeine notwendig.

Bergbauer Gunther Naynar hat sein Hobby, das Käsemachen, zum Beruf gemacht.

Ein kleinstrukturierter Familienbetrieb

 

Der 65-Jährige, Vater von vier Töchtern, führt den Bergbauernhof in dritter Generation. In seinem Familienbetrieb setzt er vor allem auf Vielfalt: „Von Spezialisierung und Monokultur können kleine Betriebe nicht leben. Wenn man als bäuerlicher Familienbetrieb bestehen möchte und kleinstrukturiert bleiben möchte, dann sind verschiedene Standbeine notwendig.“ Der Wahl-Lungauer – Gunther Naynar ist im steirischen Ennstal geboren und aufgewachsen – betreibt eine Grünlandwirtschaft mit Viehhaltung, Almbetrieb und Anbau von Speisegetreide. Auf seiner Alm hat er Jungvieh und trockengestellte Kühe, da der Betrieb von zwei Milchstätten zu aufwendig wäre. In der Direktvermarktung liegt der Fokus vor allem auf der Herstellung von Ziegen- und Kuhkäse. „Wir versorgen uns fast gänzlich selbst durch unseren Hausgarten und die Direktvermarktung“, erzählt er nicht ohne Stolz. Ein Vollzeitjob, wie er betont: „In den letzten zehn, eher fünfzehn Jahren hat sich schon herauskristallisiert, dass da nur die Professionellen übrigbleiben. Die Voraussetzungen müssen stimmen. Ohne die passenden Räumlichkeiten etwa erleidet man heutzutage Schiffbruch“, so Mag. Gunther Nayner, der seinen Beruf als Gymnasiallehrer vor vielen Jahren gegen das Landwirte-Leben eintauschte. So versucht er, möglichst wenig Fremdenergie und Fremdmittel einzusetzen, den Boden schonend zu nutzen und in diesem Rahmen durch intensive Pflege so viel wie möglich herauszuholen. Letztlich geht es ihm darum, seinen bäuerlichen Betrieb nicht auf industrielle Weise führen zu müssen, sondern mit handwerklichen Voraussetzungen in der Produktion wirtschaftlich zu bestehen.

 

Slow Food

 

Der Slow-Food-Vertreter beobachtet, dass in der derzeit gängigen Form von Landwirtschaft die meisten Ressourcen ungenutzt bleiben: „Wenn man zu oft abmäht oder sich nur auf ein Produkt konzentriert, bleibt die Vielfalt auf der Strecke.“

Slow Food ist eine internationale Bewegung, deren Anhänger sich für gute, saubere und faire Lebensmittel einsetzen. Das Netzwerk macht sich für biologische und kulturelle Vielfalt sowie für eine nachhaltige, umweltfreundliche Lebensmittelerzeugung stark. „Das ist sehr befruchtend, weil man sich mit vergleichbaren Initiativen auf der ganzen Welt austauschen, und sich auch gegen die Industrialisierung abgrenzen kann.“ Seit acht Jahren betreibt Gunther Naynar in diesem Sinne auch einen eigenen Hofladen, in dem neben Lebensmittel aus eigener Herstellung auch verschiedene Produkte wie Schokolade, Kaffee und Tee aus Fair-Trade-Handel erworben werden können.

 

„Eine gewisse Liebe, Begeisterung und Überzeugung sind schon nötig“, fasst Gunther Naynar sein Streben nach Vielfältigkeit im Kontext einer Monotonisierung der Landwirtschaft zusammen, „darüber hinaus muss es realistisch sein, dass es auch wirtschaftlich ist.“ Der Lungauer Tauernroggen beispielsweise wurde nicht nur um des Erhaltens Willen wiederbelebt, sondern vorrangig wegen seiner wirtschaftlichen Nutzbarkeit.

 

Naynar stellt vorrangig Kuhkäse und teilweise Ziegenkäse her.


 

Der Tauernroggen: Wiederentdeckung einer regional angepassten Sorte

Getreideanbau hat im Lungau aufgrund der klimatischen Gegebenheiten eine lange Tradition. Neben Weizen und Dinkel wird seit einigen Jahren auch wieder Tauernroggen kultiviert, eine alpine Wintersorte, die anspruchslos ist und sich für Grenzlagen eignet. „Der Tauernroggen ist im 20. Jahrhundert im Lungau entstanden und dementsprechend gut an das Klima hier angepasst“, erklärt Gunther Naynar. Der Lungauer Tauernroggen keimt und entwickelt sich rasch. Außerdem weist diese Getreidesorte eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen Schneeschimmel sowie Schwarzfrost auf und kann mehrere Monate unter einer Schneedecke überstehen. „Der Tauernroggen war ein wichtiges Getreide für die Selbstversorgung bedeutend, gleichermaßen für den Export als Saatgetreide für andere Gebirgsgegenden.“ Obwohl die Sorte ertragssicher ist, ist die Ertragsleistung eher mittelmäßig.

Der Lungauer Tauernroggen ist eine alpine Wintersorte, die anspruchslos ist und sich für Grenzlagen des Getreideanbaus eignet.

Geschichte des Tauernroggens

 

In den 1920er Jahren gab es Initiativen zur Kultivierung des Tauernroggens, im Jahr 1933 wurden dann zur Neuzüchtung dieser regional angepassten Sorte bei Bergbauern Zuchtgärten angelegt. Fünfzehn Jahre später, im Jahr 1948, wurde der Tauernroggen als Hochzuchtsorte ins Zuchtbuch für landwirtschaftliche Kulturpflanzen in Wien aufgenommen. 1954, in Gunther Naynars Geburtsjahr, wurde der Tauernroggen von mehr als hundert Betrieben angebaut und erreichte mit 122 Hektar Gesamtanbaufläche den Höhepunkt seiner Verbreitung im Lungau. Durch technische und wirtschaftliche Entwicklungen in der Agrarwirtschaft geriet der Tauernroggen allerdings in Vergessenheit. Da die Halme mehr als zwei Meter hoch werden, verstopften sie die damaligen Erntemaschinen. So wurde der Tauernroggen schließlich durch standfeste Sorten mit höheren Erträgen ersetzt. In den 1960er Jahren verlor der Lungauer Tauernroggen an wirtschaftlicher Bedeutung und geriet in Vergessenheit. Im Jahr 1975 wurde die Sorte aus dem Zuchtbuch für landwirtschaftliche Kulturpflanzen gelöscht. Zum Glück aber wurde Zuchtmaterial des Tauernroggens aus einem Zuchtgarten in St. Margarethen in der Genbank der ehemaligen landschaftlich-chemischen Bundesversuchsanstalt Linz aufbewahrt.

 

Gunther Naynar begann im Jahr 2006, sich für den Wiederanbau der lokal angepassten Sorte einzusetzen. Geerntet wird der Tauernroggen am Hiasnhof maschinell: „Wir haben ein paar Tauernroggenfeste besucht, da wurde uns gezeigt, wie die Ernte mit Sensen funktioniert und wie man die ‚Toggen‘ aufstellt. Da dafür aber viele helfende Hände nötig sind, ist die Ernte ohne maschinelle Unterstützung heute unmöglich.“

 

Neben dem Anbau und der Ernte sind auch das Mahlen und der Verkauf des Tauernroggens, also die gesamte Wertschöpfungskette, größtenteils im Lungau angesiedelt. In der Otting-Mühle in Tamsweg, der letzten noch produzierenden Getreidemühlen im Lungau, werden jährlich zirka vier bis fünf Tonnen Tauernroggen gemahlen. Müller Martin Gruber hat die Otting-Mühle vor fast zwanzig Jahren übernommen und führt diese nun gemeinsam mit seiner Ehefrau Angelika. Er erklärt, dass das Getreide nach der Anlieferung zunächst mit Hilfe einer Siebmaschine gereinigt und anschließend in der Durchlaufmühle zu Mehl verarbeitet wird. „Der Tauernroggen wird zuerst im Walzenstuhl vermahlen und dann im Plansichter 18 Mal gesiebt,“ erklärt er, „was früher mit dem Stein gemahlen wurde und dann mühsam per Hand gesiebt und abgefüllt werden musste, erledigt heute die Maschine.“ Martin Gruber schätzt den technischen Fortschritt. Seit dem Bau eines eigenen Wasserkraftwerkes am Ottingmühlbach im Jahr 2005 ist der Mühlenbetrieb zudem energieautark. Zuletzt haben behördliche Auflagen zu Modernisierungen in der Otting-Mühle geführt: „Unsere Holzsilos für die Mehllagerung wurden durch rostfreie Stahlbehälter ersetzt, um den neuen Hygieneanforderungen zu entsprechen.“

 

Erhältlich ist das Tauernroggenmehl im eigenen „Mühlenladen“ in ein- sowie zweieinhalb-Kilogramm-Packungen – auf Wunsch auch in größeren Mengen. Vor allem Allergiker greifen gerne auf dieses Mehl zurück, weiß der Müller: „Der Tauernroggen ist ein Ur-Getreide und enthält weniger Gluten als andere Sorten. Für viele Allergiker ist er daher besser verträglich als herkömmlicher Roggen oder auch Weizen.“

 

Zu welchen Produkten wird das Tauernroggenmehl nun verarbeitet? In der Bäckerei Binggl in Tamsweg und in Mauterndorf gibt es hausgemachtes Tauernroggenbrot. Aber nicht nur zum Brotbacken wird die enzymreiche Getreidesorte heute verwendet. Am Biohof Sauschneider in St. Margarethen wird der Tauernroggen etwa zu Honiglebkuchen sowie Vollkornnudeln verarbeitet. Und wer den Tauernroggen gerne in flüssiger Form genießen möchte, wird in Sauerfeld beim Trimmingerhof fündig: Hier gibt es Lungauer Tauernroggen Schnaps.

 

 

Interview & Text: Lisa Winter